Drohende Frühgeburt ???
Aufgrund einer Verkürzung des Gebärmutterhalses erhielt ich am Anfang vom dritten Trimester den Befund einer drohenden Frühgeburt mit vorzeitigen Wehen, weshalb ich in der 28. Schwangerschaftswoche zusätzliche Untersuchungstermine erhielt und die erste Vorstellung im Krankenhaus hatte. Ab diesem Zeitpunkt wurde mir Bettruhe und Magnesium verordnet. Andernfalls hätte ich ins Krankenhaus gemusst, was ich nicht wollte. Auf dem Sofa liegen und sich bedienen lassen, ist schon schön. Mein schlechtes Gewissen gegenüber Marie wurde aber immer größer. Auf Hilfe angewiesen zu sein, ist ein absolut beschissenes Gefühl. Sich auf das Sofa zu legen, während andere Leute (auch wenn es Oma und Opa oder Freunde sind) mit deinem Kind spielen, macht einen traurig. Aber dennoch ging es hier um die Gesundheit der Zwillinge und dass sie es so lange wie möglich in meinem Bauch aushalten. Eine Frühgeburt in der 28. Schwangerschaftswoche wäre einfach viel zu früh gewesen!
Nachdem ich mich eine Woche auf dem Sofa geschont hatte, hatte ich in der 29. Schwangerschaftswoche erneut einen Termin bei der Gynäkologin. Bei diesem Termin wurde festgestellt, dass ich einen Harnwegsinfekt habe, der Wehen auslösen kann bzw. wahrscheinlich schon ausgelöst hat. Mir wurde also ein Antibiotikum verschrieben, welches ich einmalig über Nacht einnehmen musste. Ich muss sagen, dass ich von einem Infekt nichts gemerkt habe und eigentlich nicht voreilig Antibiotika nehme, aber in diesem besonderen Fall muss man den Ärzten einfach vertrauen. Vier Tage später war ich schließlich wieder in der Praxis. Ich dachte mir schon vorher: „Mal sehen, was heute kommt.“
Wieder einmal wurde eine Verkürzung des Gebärmutterhalses festgestellt. Und wieder einmal durfte ich mich anschließend in der Klinik vorstellen. Zum Glück gaben sie dort Entwarnung und den Hinweis, dass ich mich bitte einfach nur extrem schonen und wenn möglich, keine Treppen laufen solle. „Hm, okay… Keine Treppen laufen… Unsere Schlafzimmer befindet sich im Obergeschoss; das Wohnzimmer und die Küche im Erdgeschoss. Aber okay, wir kriegen das hin. Alles besser, als im Krankenhaus zu liegen.“
Also fuhren wir wieder einmal mit so vielen Gedanken im Kopf nach Hause. Wir mussten zunächst die Betreuung für Marie klären. Zum Glück haben wir unsere Eltern vor Ort und ganz liebe Freunde, die sich gerne um Marie kümmern. Mein schlechtes Gewissen gegenüber Marie wurde nun noch größer, denn ich konnte noch nicht mal mit ihr in ihrem Zimmer spielen. Musste anstatt dessen in meinem Bett liegen und an die Decke starren. Ich merkte, wie auch sie die Situation mehr und mehr verstand und nun fast ausschließlich Papa um Hilfe fragte. Zuerst verletzte es mich und ich hatte Angst, dass es was an unserer Bindung und Beziehung ändern würde, dann dachte ich mir aber auch, dass es eine kurze Zeit nun mal so sein muss und es irgendwann auch wieder anders ist.
Viel Ruhe !!!
Die 30. Schwangerschaftswoche verbrachte ich also komplett im Bett, ohne auch ein einziges Mal ins Erdgeschoss gehen zu müssen. Das hat nur so gut geklappt, weil besonders Toby sich besser als jede Krankenschwester um mich gekümmert hat. Er hat mir z.B., bevor er an die Arbeit gefahren ist, eine Brotdose für den ganzen Tag gefüllt, weshalb ich alles, was ich benötigte bei mir hatte.
In der 31. Schwangerschaftswoche gab es von meiner Gynäkologin endlich Entwarnung. Der Gebärmutterhals war nicht mehr so stark verkürzt und ich durfte mich nun auch wieder bewegen. Ich sollte Spaziergänge zwar meiden, aber die Bewegung im Haus mit regelmäßigen Ruhephasen sollten kein Problem mehr darstellen. Sie betonte, dass ich nun Kraft für die Geburt sammeln müsse und dies würde nicht funktionieren, wenn ich ausschließlich liege.
In der 32. Schwangerschaftswoche hatte ich schließlich meinen dritten und letzten Termin bei dem Spezialisten für Organdiagnostik. Dieser untersuchte noch einmal den White Spot, der auch immer noch zu sehen war. Allerdings war alles andere unauffällig, weshalb wir mit einem positiven Gefühl aus der Untersuchung gehen konnten. Beide Kinder sind gleich gut entwickelt gewesen. Toby und ich waren extrem erleichtert! Jetzt hieß es: Die nächste Etappe 34 + 0 schaffen, um dann die 36 + 0 anzustreben.
Im weiteren Verlauf schmerzte das Gewicht der Babys nun immer mehr. Die Kinder wuchsen und dementsprechend schwieriger wurde es, den Alltag zu bewältigen. Die Tage und Nächte waren ein einziger Kampf. Jede Umdrehung schmerzte, jeder Gang wurde gut überlegt und kein Schritt wurde zu viel gemacht. Die Mutterbänder dehnten sich und verursachten starke Schmerzen im unteren Bauch. Hier wird deutlich: Eine Zwillingsschwangerschaft ist eine unheimliche Belastung für den Körper und dennoch schafft er es und ist für die Kinder der beste Platz für die Entwicklung. Einerseits wünschte ich mir, dass die Kinder so lang wie möglich in meinem Bauch bleiben würden, andererseits konnte ich nicht mehr und hätte zu jeder Zeit heulen können. Der Gedanke, dass es eigentlich noch acht Wochen bis zum errechneten Geburtstermin waren, ließ diese zwiespältigen Gefühle nicht besser werden. Dennoch wünschte ich mir nichts mehr, als dass die Zwillinge zur Welt kommen und keinerlei medizinische Unterstützung mehr benötigen. Also wurde gekämpft – von Woche zu Woche!!!
Die erste Etappe (34 + 0) hatte ich geschafft und ich konnte nun die 36 + 0 ansteuern. Diese letzten Wochen der Schwangerschaft waren geprägt von Arztuntersuchungen. Die Zwillinge drückten mit ihrem Gewicht so sehr auf meine Organe, dass meine Leberwerte schlechter wurden. Alle zwei Tage wurde mir schließlich Blut abgenommen, um zu überprüfen, wie sich meine Werte entwickeln, damit im Notfall schnell entschieden werden konnte, die Schwangerschaft zu beenden. Bei dieser Entscheidung stand nun nicht mehr allein die Gesundheit der Zwillinge im Fokus, sondern gerade auch meine Gesundheit rückte mehr und mehr in den Vordergrund. Mein Körper streikte und kam langsam an seine Grenzen.
Über die Ostertage durfte ich schließlich ein Bett im Krankenhaus beziehen (ich war nun 35 + 0). Hier wurden immer wieder Blutdruckmessungen durchgeführt, mein Blut bzgl. der Leberwerte kontrolliert und sichergestellt, dass sich kein Eiweiß im Urin befindet, weil das alles für eine Schwangerschaftsvergiftung sprechen würde. Die Ärzte sagten mir, dass sie das HELLP-Syndrom ausschließen wollen, da dies sehr gefährlich für Mutter und Kinder werden kann. Zum Glück waren meine Werte zu keiner Zeit so besorgniserregend, dass die Kinder oder ich in Gefahr waren, weshalb ich nach vier Tagen das Krankenhaus verlassen durfte und zur weiteren Kontrolle an einzelnen Tagen ins Krankenhaus kommen sollte.
Die nächsten Tage waren für meinen Körper ein wahrer Kampf. Meine Bauchdecke bekam nun mehr und mehr Risse und fing unheimlich an zu jucken. Sie wurde heiß und ich hatte kaum noch Gefühl an der dicksten Stelle des Bauches. Alles war nun so sehr unter Spannung, dass ich mir kaum vorstellen konnte, dass die Geburt in weiter Ferne lag. Wir erreichten die 36 + 0 und ich war sehr erleichtert, dass die Kinder so weit entwickelt waren, dass sie auf der Welt nun hoffentlich kaum Probleme haben sollten. In dieser Woche wurden weitere Blutwerte bzgl. der Galle abgenommen. Da bereits eine Woche zuvor erhöhte Gallenwerte festgestellt worden waren, sollten diese nun auch beobachtet werden. Die Ärzte setzten einen Grenzwert fest und äußerten, dass sie, bei Überschreitung des Wertes, die Geburt einleiten wollen. Irgendwie war ich erleichtert, dass ein Ende der Schwangerschaft endlich in Sicht war, obwohl mir bewusst war, dass für die Zwillinge jeder Tag im Bauch am besten wäre. Daher hat es sich gut angefühlt, nicht selbst die Entscheidung treffen zu müssen, die Schwangerschaft zu beenden, sondern medizinische Gründe dafür gesprochen haben.
Die Werte verschlechterten sich nicht. Dennoch wurde ein Termin zur Einleitung bei 38 + 0 festgelegt (zu diesem Zeitpunkt wäre übrigens auch ein Kaiserschnitttermin angesetzt wurden). Innerlich wurde ich ruhiger und wusste, dass es bald geschafft war. Ich hatte nun endlich einen Termin, dem ich entgegenfiebern konnte. Irgendwie erleichterte mir dieser Gedanke den Alltag, da ich mich mit den Beschwerden abgefunden hatte. Die Zwillinge fühlten sich weiterhin wohl in meinem Bauch, der nun oberflächlich komplett taub wurde. Engmaschige CTG-Kontrollen gaben mir die Sicherheit, dass unsere Jungs weiterhin gut versorgt waren, weshalb ich in den letzten Tagen vor ihrer Geburt die Zeit mit Marie und Toby noch einmal sehr genossen habe.
Das dritte Trimester bedeutet für eine Mehrlingsschwangere wohl die größte Belastung, die man sich nur vorstellen kann. Was der Körper in dieser Zeit leistet, ist einfach nur unglaublich. Er schafft es dennoch und auch, wenn er wohl nie wieder so aussehen wird, wie er vor der Schwangerschaft ausgesehen hat, wird man am Ende mit dem größten Glück belohnt, was man sich nur wünschen kann.
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